Verständnis contra Auswendiglernen

Langfristig abrufbar bleiben auch ursprünglich „verstandene“ Strukturen nur, wenn sie mit einer ausreichenden Basis an empirischen Informationen einhergehen. Dies ist gemeint, wenn Universitätsprofessoren oft von der reinen Lektüre von Skripten ab- und einer „Vertiefung“ des Stoffes zuraten. Es geht hier nur selten darum, die zusätzlichen Informationen der Vertiefung wirklich behalten zu wollen oder eine logische Unklarheit zu beseitigen. Mit dem unbewussten Zugriff auf viele, isoliert betrachtet übertrieben spezielle Anwendungsbeispiele der Grundlagenkenntnisse wird aber erst ein effizienter und direkter Zugriff auf die Grundlagen selbst ermöglicht.

„Verstehen“ contra „Auswendig lernen“

Der unter Studenten oft bemühte Gegensatz vom „reinen Auswendiglernen“ zum „wirklichen Verständnis“ bedeutet also nicht, dass theoretisches Lernen nichts bringt; vielmehr ist das „reine Auswendiglernen“ eine Vorstufe zum Verständnis, bei der eine ausreichende Datengrundlage erst noch geschaffen werden muss. „Verstehen“ und „Auswendiglernen“ in Bezug auf Lernmethoden als Gegensätze hingestellt meint Folgendes: Wegen des beschränkten Zeitpools muss man sich weitgehend zwischen exakter Wiederholung der bereits konsumierten Darstellung ”“ zum Beispiel durch Durcharbeiten eines schon gelesenen Buches ”“ und dem Lesen anderer, anders formulierter und strukturierter Darstellungen entscheiden. Exakte Wiederholung bietet Vorteile in Bezug auf sachfremde Merkpunkte ”“ die Stellung auf der Buchseite, die Zahl der Argumente für einen Punkt, die Formulierung. Die Konsumtion anderer Darstellungen bietet aber den entscheidenden Vorteil, dass das Gehirn von selbst die Überschneidungen ”“ das „gesicherte Basiswissen“ ”“ isoliert und durch diese Verarbeitung tief einbrennt.

Die Abwägung und ein möglicher Mittelweg

Für die Abwägung ist entscheidend, auf welche Art das Wissen später abrufbar sein muss. Wird nur für einen multiple-choice-Test gelernt, ist exakte Wiederholung eine taugliche Methode. Spätestens wenn aber zwischen Lernen und Prüfung ein weiter Zeitraum liegt, der Stoff sehr komplex ist oder der Abruf in ganz anderer Form geschieht als die Rezeption ”“ zum Beispiel weil in der Prüfung Fälle gelöst werden müssen ”“ muss aber der Schwerpunkt auf der Rezeption verschiedener Darstellungen liegen.

Um sich trotzdem die Vorteile exakter Wiederholung zu sichern ist es bei ausreichend Zeit sinnvoll, eine Darstellung zur Grundlage des Lernens zu machen und die anderen Materialien zur Vertiefung zu verwenden. Wird eine Zusammenfassung geschrieben, eignet sich diese ganz hervorragend.

Folgerung für die Lernphasen

Für die Lernphasen ergibt sich aus der dargestellten Notwendigkeit empirischer Informationsgrundlage, dass jede Erarbeitung eines neuen Themas mit „Auswendiglernen“ in der einen oder anderen Gestalt beginnt. Dies ist auch notwendig, um eine Struktur zu schaffen, innerhalb derer die empirischen Informationen später kontextualisiert werden können. In der Phase des Auswendiglernens ist die Anwendungsfähigkeit noch stark begrenzt. Obwohl das kein Problem mangelnder Intelligenz ist, hören hier viele Lernende frustiert auf; das ist schade.

In der anschließenden „Vertiefungsphase“ muss viel Stoff durchgewühlt werden, obwohl sich dies mitunter sinnlos anfühlt; dabei stellt sich schnell Frustration ein. Macht man sich aber klar, was man eigentlich tut ”“ Grundlagen festigen ”“ fällt die Diszplinierung deutlich leichter.

Wie die Motivation in der entscheidenden „Wühlphase“ einfacher aufrechterhalten werden kann, ist in „Externalisieren“ ausgeführt.

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